Offener Brief gegen eine Prozenthürde bei der EU-Wahlen

Gegen das Stehlen unserer Stimmen!

MdEP Manuela Ripa (ÖDP) und ÖDP-Vorsitzende Charlotte Schmid unterzeichnen offenen Protestbrief gegen Prozenthürde bei Europawahl

(Straßburg/12.06.2023) Ende Mai hat der Bundestag erstmals über den EU-Gesetzentwurf beraten, mit dem bei Wahlen zum Europäischen Parlament eine Sperrklausel von zwei Prozent eingeführt werden soll. Damit wird vorrangig das Ziel verfolgt, die kleinen Parteien aus dem Parlament zu drängen, obwohl diese bei der letzten Wahl in Deutschland zusammen mehr als drei Millionen Stimmen erhalten hatten. Das ist mehr, als manche EU-Mitgliedstaaten überhaupt an Wahlberechtigten zählen.Die Europaabgeordnete der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Manuela Ripa, deren Partei bei der Wahl 2019 mehr Stimmen erhielt als Luxemburg an Wahlberechtigten zählt, hat einen offenen Brief an den deutschen Bundestag mitunterschrieben, der sich gegen das undemokratische Vorhaben richtet. Neben den Abgeordneten anderer kleiner Parteien hat auch die ÖDP-Bundesvorsitzende Charlotte Schmid den Brief mitunterzeichnet.

Die Politiker*innen wehren sich gegen den geplanten, schwerwiegenden Eingriff in die Grundsätze des Wahlrechts und in die Chancengleichheit politischer Parteien. „In ganz Europa erleben wir, dass antidemokratische Tendenzen immer stärker um sich greifen. Weil eine Krise auf die nächste folgt, sollte sich unsere Regierung für uns Bürger*innen stark machen. Stattdessen setzen sie sich dafür ein, dass wir unsere Stimmen verlieren“, heißt es in dem Brief.

Die Autor*innen verwahren sich auch gegen den Vorwurf, eine fehlende Sperrklausel würde die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments einschränken. Denn es sind etwa 200 Parteien aus 27 Ländern im Parlament vertreten. Und fast alle Abgeordneten der kleineren Parteien sind Mitglied einer Fraktion und leisten dort gute und konstruktive Arbeit.

Manuela Ripa weist insbesondere auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 hin. „Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in zwei Urteilen klar festgehalten, dass eine Sperrklausel bei der Europawahl verfassungswidrig ist. Es verstößt u.a. gegen die Chancengleichheit der Parteien. Auch hat das BVerfG klar das Scheinargument widerlegt, dass durch die Prozenthürde eine Zersplitterung des Parlaments verhindert werden soll. Das  EU-Parlament muss keine Regierung stellen. Eine Sperrklausel ist nicht gerechtfertigt. Eine Prozenthürde bleibt undemokratisch, da sie den Wählerwillen verzerrt. Denn durch die Sperrklausel bekämen die größeren Parteien Sitze, die nach dem Wahlergebnis für kleinere Parteien vorgesehen sind. Demokratie bedeutet Meinungsvielfalt, Demokratie bedeutet, dass man seine Stimme abgeben kann. Demokratie bedeutet aber auch, dass die abgegebene Stimme zählt und im Parlament vertreten ist. Das wird mit der Wiedereinführung der verfassungswidrigen Sperrklausel verhindert“, so die ÖDP-Europaabgeordnete.

Zu dem Brief geht es hier.