14 Mai Profitdenken zulasten des Naturschutzes
Die Machtdemonstration der Trecker-Protestanten wirkt: Europas Landwirtschaftsminister knicken angesichts massiver Bauern-Aufstände vom Frühjahr ein. Sie kippten wichtige Umweltauflagen für die Hofherrn. Deutschlands Oberbauer Özdemir spielt dabei eine unrühmliche Rolle wie bei Glyphosat – entgegen dem Rat der Umweltverbände. Der „grüne“ Politiker enthält sich der Stimme. Ergebnis: Die Natur verliert!
Bauern, die Milliarden aus Europas Finanztöpfen schöpfen, müssen dafür künftig nicht mehr mindestens vier Prozent ihrer Äcker für Brachen, Bäume und Blühstreifen reservieren und so im Gegenzug für den Geldsegen aus der EU-Kasse die Umwelt schonen, das Klima schützen und viele Tier- und Pflanzenarten vor dem Verlust ihres Lebensraums bewahren. Die Bauernlobby hatte geklagt, dass ihr dadurch Ackerfläche für die Nahrungsproduktion verloren gehen. Viel mehr Land haben die Bauern an Bauherren verscherbelt: Allein in Bayern verschwanden seit 1980 etwa 5.000 Quadratkilometer landwirtschaftliche Flächen. Sie wurden asphaltiert und bebaut. Dort wuchsen statt Korn, Gemüse oder Hopfen Häuser und Fabriken – die Bauern fuhren eine prächtige Finanz-Ernte ein.
Solch „Rückgrat freie Politik des deutschen Agrarministers“ verurteilt Helmut Scheel als stellvertretender Bundesvorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP – die Naturschutzpartei): „Zugeständnisse an die Vertreter der Agrarindustrie sind der falsche Weg. Der führt statt zu mehr Klima- und Artenschutz direkt ins Abseits.“ Mit dem zuständigen Minister geht er hart ins Gericht. Dessen Hinweis, dass die Änderung der EU-Regeln für Bauern „ökonomische Vorteile“ bringen, „geht gar nicht“, so Scheel. Cem Özdemir habe die Chance verpasst, sich als Landwirtschaftsminister für den Erhalt der Landschaft einzusetzen: „Er macht sich zum Handlanger der Großbauern, die EU-Subventionen kassieren und sich nicht um die Natur bemühen – das ist Özdemir-doch-egal.“
Auf europäischer Ebene ist zwar eine Reform der Agrarsubventionen – immerhin ein Drittel des EU-Budgets – unumgänglich, allerdings sollte die EU die Landwirtschaft unterstützen, nachhaltiger, ökologisch und klimafreundlicher zu produzieren, anstatt die Errungenschaften zu Umweltauflagen zurückzudrehen. Dazu Manuela Ripa, Europaabgeordnete der ÖDP und ÖDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl: „Wir müssen mit und nicht gegen die Natur arbeiten. Im Eilverfahren und ohne Folgeabschätzung die Regeln für Natur- und Artenschutz auszuhebeln, ist nicht zielführend. Es mag kurzfristig einige Landwirte besänftigen, aber langfristig hilft uns das nicht weiter. Landwirte sollten viel mehr für Umweltauflagen und Tierschutz entlohnt werden, anstatt Geld rein für die Fläche zu bekommen.“
Als Politiker vor der Macht der Agrarindustrie zu kuschen, ist ein Zeichen von Schwäche. Wer den Schutz der Natur Profitinteressen opfert, ist kein Agrarminister, denn er kümmert sich nicht ums Gemeinwohl, sondern nur um die Geldbeutel von Großbauern. „Die ÖDP stärkt dagegen die bäuerliche Landwirtschaft“, zitiert Scheel die Grundsätze seiner Partei, die nicht erst seit dem Volksbegehren zum Schutz der Bienen den Wert bäuerlicher Arbeit für die Natur lobt: Sie fördert den Ökolandbau und setzt auf Kleinbetriebe, die auf das Wohl ihrer Tiere achten und gesunde Lebensmittel erzeugen. Da ist es auch Augenwischerei, dass der Minister den Wegfall von Bürokratie für Höfe mit weniger als 10 Hektar Fläche als seinen Erfolg verkauft. Das unterscheide die ÖDP von einer dann doch verlogenen Naturschutzpolitik des „grünen“ Landwirtschaftsministers: „Özdemir entscheidet sich im Zwiespalt zwischen „Land“ und „Wirtschaft“ eben doch für Profitdenken.“ Deshalb auch ist die ÖDP für den Erhalt der von Özdemir geopferten Naturflächen wie Blühstreifen oder Brachen. „Wir verlieren ohnehin viel zu viel Wiesen und Äcker an Baumaschinen“, ist Scheel überzeugt, „diesen Ausverkauf unserer Landschaft will die ÖDP stoppen.“